S(ch)austücke - aus dem Leben gegriffen

Wir erfinden nichts, wenn wir aus dem Lumpenleben erzählen.

    Die Fleischbefragung
    Ein Schaustück nach einer wirklichen Begebenheit

    Die Leute, so in diesem Spiel reden, sind diese:
    Die Lumpenbrüder
    Die Metzgerin
    Die Käuferin
    Die Fleischbefragerin



    1. Akt: In der Metzgerei
    Die Käuferin verhandelt gerade mit der Metzgerin, da betreten die Lumpenbrüder den Laden mit einem Lied auf den Lippen:
    „Halunken, Monarchen, Banditen,
    so tippeln wir frech um die Welt,
    mit rauhen Manieren und Sitten,
    zerlumpt, ohne Ehre und Geld.
    Wir sind Vagabunden, verwegene Kunden,
    verwittert, zerknittert und zerzaust,
    sind pikfeine Männer, Ganoven und Penner,
    verlottert, verludert und verlaust“


    1. Lumpenbruder:
    „Schönen guten Morgen, Frau Metzgerin,
    wir sind die wilde Lumpenbruderschaft,
    und haben uns von fernen Gestaden,
    sogar von Bayern und Schwaben,
    bis ins Thüringer Land gerafft.
    Wohl lernt man fremde Länder kennen gar wohl,
    doch hängt uns der Rucksack schon lange hohl.
    Der Magen knurrt wie Bello der Ameisenbär
    und Wasser lassen können wir schon lange nicht mehr,
    weil unsere Blase furztrocken und leer.
    Ich, aus der Tippelgesellschaft Mitte,
    habe an Sie jetzt noch eine Bitte:
    Gebt den Tippologie-Studenten
    was zum Futtern und zum Stopfen
    und vielleicht noch einen hochprozent'gen Tropfen.
    Frau Metzgerin, lassen Sie uns nicht zu lange stehen,
    denn wir wollen heute noch nach Weimar gehen.
    Daß diese Fleischerei Jahr für Jahr,
    viele Kunden haben möge!“

    Alle Lumpenbrüder: „Fürwahr!“

    Metzgerin:
    „Das habt ihr wirklich toll gemacht, Jungens. Aber ich bin hier nur die Angestellte und der Chef ist verreist.“

    2. Lumpenbuder:
    „Jaja, das kennen wir. Die Chefs räkeln sich in der Sonne und die armen Angestellten können nicht mal eine Wurscht rausrücken!“

    Käuferin:
    „Frau Metzgerin, so geben Sie doch den hungrigen Jungens eine Wurst. Ich wills auch bezahlen.“

    Metzgerin:
    „Welche wollen Sie denn?“

    Käuferin:
    „Die billige da drüben.“
    Kaufts, und gibt sie den Lumpenbrüdern.

    3. Lumpenbruder:
    „Danke! Man sieht sich im Leben immer zweimal. Und wenn es bei Ihnen um die Wurscht gehen sollte, steht vielleicht auch jemand hilfreich bereit!“
    Die Lumpenbrüder gehen johlend ab.


    2. Akt: Auf der Straße
    Die Lumpenbrüder ziehen lärmend mit der Wurst aus dem Geschäft und laufen an einem jungen Mädchen mit einem Befragungsbogen in der Hand vorbei.

    2. Lumpenbruder:
    „Kiek mal, det Fleisch is ooch nich zu verachten!“

    Die Fleischbefragerin kommt auf die Lumpenbrüder zu:
    „Habt ihr mal einen Moment Zeit? Ich mache eine Fleischbefragung!“

    2. Lumpenbruder:
    „Klaro, für Frischfleisch haben wir immer einen Moment Zeit!“

    Fleischbefragerin:
    „Gut, dann kommen wir gleich zur ersten Frage:
    Wie oft eßt ihr Fleisch?“


    1. Lumpenbruder:
    „Das ist unterschiedlich. Je nachdem, wie man es uns gibt. Manchmal ganz viel, bis die Wämster platzen, manchmal monatelang auch gar nichts.“

    Fleischbefragerin:
    „Hmm, also unterschiedlich.
    Eßt ihr mehr Rindfleisch oder mehr Schweinefleisch?“


    1. Lumpenbruder:
    „Das kommt darauf an, was der Metzger gerade im Überfluß hat oder loswerden will.“

    Fleischbefragerin:
    „Also auch unterschiedlich.
    Wieviel Euro gebt ihr monatlich für Fleisch und Wurst aus?“


    1. Lumpenbruder:
    „Gar nichts. Wir kriegen alles kostenlos.“

    Fleischbefragerin:
    „Aha. Also Null Euro. Seltsam!
    Wie eßt ihr eure Steaks: Medium oder durchgebraten?“


    1. Lumpenbruder:
    „Meistens gleich roh, denn der Hunger plagt uns oft sehr.“

    Fleischbefragerin:
    „Das steht gar nicht auf meinem Zettel. Dann schreibe ich eben unter ‚Sonstiges'.
    Eßt ihr seit der Gefügelpest weniger Geflügel?“


    1. Lumpenbruder:
    „Nein, mehr! Das Zeug kooft keiner und die Fleischer wollen es loswerden!“

    Fleischbefragerin:
    „Igitt! Was macht ihr mit altem Fleisch?
    Entsorgt ihr es über den Bio-Müll?“


    1. Lumpenbruder:
    „Nö, wir stopfen es in unsere Mägen!“

    Fleischbefragerin fassungslos:
    „Ihr lebt ja wie Hunde! ...
    Danke, das wars!“

    Dreht sich ab und geht.

    2. Lumpenbruder:
    „Da geht sie hin, schade!“
    Schaut gedankenverloren die ergatterte Wurst an.
    „Ach was solls, lieber den Spatzen in der Hand als das Vögeln auf dem Dach! ... Oder wie ging das?“

    1. Lumpenbruder:
    „Egal, wir müssen heut noch weiter!“

    Alle Lumpenbrüder zusammen beim Abgang:
    „Wir sind die Lumpenbrüder
    und haben immer Durst.
    Doch wenn es um die Wurscht geht,
    dann ist uns alles Wurst!“


    Lumpenbruder und Gendarm
    Erweitert und verbessert nach einer Erzählung Bernhard Müller

    Die Leute, so in diesem Spiel reden, sind diese:
    Der Erzähler
    Der Lumpenbrüder
    Der Gendarm
    Mehrere Bauern



    Nichts haßt sich auf dem Erdenrund
    wohl gründlicher, als Katz und Hund,
    zwei Hähn' in einem Hühnerschwarm
    und Lumpenbruder und Gendarm.

    Die Sonne steht schon im Zenit.
    Die Bauern kehren matt und müd
    von Feld und Wiesen, Berg und Tal
    in Scharen heim zum Mittagsmahl.

    Da sieh: Mit stolzerfüllter Brust,
    in hohen Pflichten sich bewußt,
    auch polizeilich wohl gewitzt
    kommt ein Gendarm herangeflitzt.

    Indes auf einem Seitenpfad
    sich scheu ein Lumpenbruder naht.
    Es lechzt die Lipp´, es knurrt der Magen,
    drum will er hier im Dorf es wagen

    ob nicht vielleicht in einem Haus
    ein Rest ihm wird vom Mittagsschmaus.
    Er bettelt flott von Tür zu Tor,
    spricht um ein Mittagessen vor. -

    Bald hat er sich am guten Essen
    recht nach Gelüsten satt gegessen.
    Doch so ein Stück von Rind und Schwein,
    gebraten und gekocht ganz fein,

    das hat er nicht an allen Tagen;
    drum will er's schnell noch einmal wagen.
    So geht er weiter, klopft und ficht
    um ein bescheidenes Gericht:

    "Erbarmet Euch, Ihr lieben Leut´,
    ein armer Lumpenbursch hat heut´
    sowie vor dreimal dreien Tagen
    kein warmen Bissen mehr im Magen!"


    Und schon im nächsten Bauernhaus
    reicht man ihm eine Schüssel raus,
    mit gutem Ton und milder Hand,
    aber - mit Kohl gefüllt bis an den Rand.

    Und nichts als Kohl. Es wird ihm enge
    sein Magen, als er sieht die Menge.
    Er hält die Schüssel in den Händen
    und sinnt, ob dem nicht abzuwenden:

    "0, rettet mich von dieser Not!
    Wer hilft mir vor dem Mittagsbrot?" -

    Da plötzlich hält ihn an dem Arm
    ganz unerwartet der Gendarm.

    Schon schallt es laut an seinem Ohr:
    "He, Lumpenhund, Papiere vor!" -
    Zu aller Not kann das noch fehlen!
    Woher sie nehmen, wenn nicht stehlen?

    Papiere hat er nicht. Und doch -
    hat er sie nicht, muß er ins Loch.
    Aber! Kein Lumpenbruder leicht
    bei solch Gefahr mondfahl erbleicht!

    Er spricht darum gefaßt und ruhig:
    "Gleich, Herr Gendarm. Jedoch - was tu ich?
    Ich bitt´ Euch um die Freundlichkeit,
    die Schüssel eine kurze Zeit,

    nur einen Augenblick zu halten,
    daß ich die Pässe kann entfalten!"

    So halst er ihm die Schüssel auf.
    Und dann - in pfeilgeschwindem Lauf

    mit einem Grinsen, frech und keck,
    stiebt schnell der junge Kerl hinweg,
    läuft über Felder, Hof und Haus
    fort in den dichten Wald hinaus.

    Und der Gendarm, mit beiden Händen
    die Schüssel haltend, kann's nicht wenden.
    Er steht wie eine Säule da,
    nicht wissend, wie ihm das geschah.

    Dem Lumpen ist ums Herze warm:
    verkohlet hat er den Gendarm!
    Aus beiden Nöten so befreit
    bringt er ein Hoch der Obrigkeit.

Weitere Schauspiele:
Absaugen Der Teufel mit dem alten Weib. Ein Schauspiel nach Hans Sachs für zwei Mann und zwei Weiber.

Moritaten:
Absaugen Der Butterräuber von Halberstadt. Eine Begebenheit bei Halberstadt, auch als Aufführung für einen Erzähler, einen Mann und ein Weib.
Absaugen Rieke und das Militär. Eine wahre Begebenheit zur Ehre unseres Militärs, welches nicht nur im Kriege seinen Mut beweist.

Ernste Darbietungen:
Absaugen Pidder Lüng. Eine Ballade von Detlev von Liliencron als Aufführung für einen Erzähler, drei Mann und weitere Mitspieler.
Absaugen Heinrich von Plauen 1410. Eine Ballade von Ferdinand Oppenberg als Aufführung für einen Erzähler, zwei Mann und weitere Mitspieler.
Absaugen König Etzels Schwert. Eine Ballade von Conrad Fedinand Meyer als Aufführung für einen Erzähler, drei Mann und weitere Mitspieler.