Frankenland in Lumpenhand

Wir betteln uns durch Bamberg, das wie ein Sack voller Flöhe ist, weil wir den Kopf voller Späße haben. In jede Gasse müssen wir unseren Unfug werfen, trällern das Frankenlied unter den Hurrarufen begeisterter Kneipengänger, schmatzen und saufen auf Kosten eines ausgelassenen Publikums. Wir gehören der Jugend in diesen Maientagen. Da ist überall Kichern und Flüstern. Das kommt von offenen Fenstern zu uns herab auf die Straße gefallen. Kommt um die Ecken der Häuser gesprungen. Kommt hinter den Sträuchern und Hecken hervorgelugt. Kommt von vielen Mädchenlippen weich zu uns herübergeschwungen. Und was da verborgen uns trifft an Blicken und Nicken, wir ahnen es, doch zählens nicht. Immer ist irgendwo eine, die schauen muß, ist eine andere, die in sich süße Wünsche spricht, wenn wir im "Das-kann-nicht-sein-Gewand" vorüberstrolchen. Oder wir werden kurzerhand von den Beherztesten der Mädelscharen umarmt und geherzt.

Wir tippeln zu viert und sind darüber wohl das sonderlichste Quartett der Welt. Doch geht noch einer mit uns, den keiner sieht und doch alle spüren. Man stellt uns fünf Biere auf das Eichenholz der Kneipentische und fragt, wo denn "der andere" geblieben, der Fünfte, der eben noch mit uns war. Merkwürdig geht das vor sich, und ist doch trotzdem keine Wunderlichkeit an uns. Es wird der Schalk sein, der uns im Nacken hockt, wie ein lauffauler listiger Bruder.

Bamberg, vier junge Hähne stolzieren im Schatten deiner alten Häuserherrlichkeit! Sind gewiß keine kleinen Herren mit ihren großen lustigen Plänen!

Schon hat die Nacht die Decke über die Stadt geworfen. Doch das Tuch hat lärmende Löcher, aus denen es kunstlichternd brummt und rummt. Wir wühlen uns durch allerviel Treiben, das da in den Straßen liegt. Und treten wir unter die Haufen aus lärmenden Buben und lachenden Maiden, so ziehen wir um uns herum hohe Türme auf. Die sind aus lauter Erstaunlichkeit gemauert und in den Fugen dichtet ein alter Bindestoff die ratlosen Gedanken: Volkssage! Da wird das große Krachen bis zum Stummwerden klein, und an uns kleben die Blicke des Unbegreiflichen.

Lumpenpack


Hausbrot in Weimar. In einer muffigen Fladenbrotspelunke erfrugen wir nach fröhlichem Liede einen Imbiß. Der fette Knauser wiegelte ab: "Ich bin froh, wenn ich ein Brot zuhause habe!" - "Siehste, wir haben kein Brot - und kein Zuhause!"

Wegegeld in Ilmenau. Als wir im Hotel Zum Elephanten gespeist hatten, verwies uns der Wirt zum Ilmenauer Bürgermeister, welcher walzenden Zunftleuten wie uns für gewöhnlich 10 Dukaten Wegegeld spendieren würde. Einen Gewinn witternd zogen wir ins Rathaus, wurden aber von des Meisters Schreiberin mit dem Verweis, wir hätten doch kein Zunftbuch, wieder abgewiesen. Der Bürgermeister wäre sowieso im Ratskeller beim Essen. Wir stürmten mit einem Lied in den Keller und konnten unsere Wünsche gegenüber einem noch aufzutreibenden Ratsherren nicht äußern, da wir uns dank der freundlichen Wirtin die stets hungrigen Mäuler mit Eisbein und Kraut stopfen durften und darob alle Ungemach der Welt vergaßen.

Ruhestörung in Coburg. Nach einem gediegenen Mahl suchten wir in Coburg eine kleine Straßenkneipe mit Außenbestuhlung auf, die einen Verdauungsschnaps für uns böte. Wir wollten auch singen. Das durften wir jedoch nur auf der anderen Seite der Gasse, um der Kneipe nicht den Ruf der Ruhestörung anzuhängen. Als wir ein Lied trällerten, schlug oben ein Fenster auf; nach Liedende stürmte ein junger Bursche auf uns zu: "Ich habe euch gehört, prima! Ich lade euch zum Wein ein, ihr singt viel zu gut, seid viel zu schade für das Gesochs hier!" Des guten Weines sprachen wir gern zu, das umgehend organisierte Nachtlager bei einer Studentenverbindung war ebenfalls verheißender als der Stadtpark.

Weckruf Telefonseelsorge. Die Nacht war lang, gesprächig und süffig, und wer empfiehlt: "Bier auf Wein, das lasse sein!", der hat zweifelsohne Recht. Wir schnarchten im Matratzenlager der Verbindung gerade den Rausch aus, als eine schrille Weiberstimme aus dem Nachbarraum die zarten Träume zerplatzen ließ: "So, Christine, jetzt reichts! Ich mach das nicht mehr mit. Alles ist vollgekotzt! Ich wische das noch einmal weg und dann kündige ich!" Wir rafften uns schnaufend auf, richteten den Hut und durchwühlten die Küche vergebens nach Eßbarem. Als wir uns von hinnen schleichen wollten, sahen wir das dicke Weib rauchend am Ausgang sitzen. Verkatert knurrte Rülps: "Gute Frau, wir sind unschuldig! Wir kotzen nicht, dafür sind wir viel zu geizig!" Die Dicke: "Ihr seid anständige Jungens, ihr wart das nicht, ich weiß genau, wer das war!" Sie drohte mit dem Finger nach oben, wo die Herren Studenten noch ahnungslos schliefen, während wir beruhigt wir zum Frühstück ins morgendliche Coburg schlenderten.

Persische Koffeinbanane. Wir fressen doch nun wirklich alles, fast alles. Was wir aber nach unseren "erfragten" Halspastillen, Bananen, Brezeln, Milchschüttel ("Shakes") bei Kaffee und Kuchen in einem Coburger Stehcafé sahen, war denn doch zu dolle: Da ditschte ein an unseren Tisch gesellter Perser seine Banane in den Kaffee. "Schmeckts?" fragte Rülps. "Bei uns in Persien macht das man so. Solltet probieren auch mal!" Nee danke!

Machtkämpfe im Schlenkerla. Ins Schlenkerla, der urigen Rauchbierkneipe Bambergs, verirrten sich unsere müden Füße. Das Publikum tobte ob unseres Gesanges, nur der Wirt, den wir zunächst für einen getarnten Teckel hielten, gebot uns nach der Liedzeile "...schmeißt den Wirt zum Fenster raus, heda, der schaut sich um ..." Einhalt: Wir sollten in dieser fränkischen Kneipe nur keine bayrischen Lieder singen und überhaupt am besten die Klappe halten. Von hinnen durften wir aber auch nicht, da ein gewichtiger, goldkettenbehangener Glatzkopf uns zu bleiben befahl und zu Essen ausgab. Wir zogen uns derart aus der Affäre, daß wir auf dem Sprung nach draußen für diesen Herren ein Extralied trällerten, was dieser mit einer 40-Dukaten-Fütterung von Franzls Klampfenkorpus belohnte (Wir hatten massive Probleme, die zwei Scheine dort wieder herauszubekommen).

Belohnungsfahrt. Als wir Bamberg im Rücken ließen, wollte kein Fahrzeug unser Ziel näher bringen. Zwar verkatert und betrübt bot Franzl dennoch einer alten Frau an, ihr zwei Getränkekästen zu tragen. Weiter unseres Weges trottend hielt bald darauf das erste Fahrzeug auch gleich an, die alte Frau saß darinnen. Wir stopften uns in den kleinen Wagen und wurden bis zu unserem Wunschorte gefahren sowie einem Bauernhofe anempfohlen, wo man uns mehr als reichlich zum Frühstück bewirtete.

Verfolgungsjagd. Abgeschieden von allen Menschen dünkten wir uns auf einer Bank am Rand des Steigerwaldes mit Blick über gedeihende Kornfelder, die im Winde wogten. Stille umwob den Vormittag, und eine Bande von Eichenprozessionsspinnern zog in einer seelenruhigen Polonaise vom Nest gen Eichenwipfel. Trauen wollten wir unseren Augen kaum, als plötzlich ein Grüner August aus den Kornweiten auftauchte und direkt auf uns zubrauste. Ein Teckelduo sprang heraus und fragte naßforsch nach unseren Papieren. Hier würde eine Frau samt Hund vermißt, ihr Fahrzeug stünde gleich in der Nähe. Während die Teckel diensteifrig notierten, nahte von fern eine Frau mit Hund dem besagten Fahrzeug. Die nachfolgende Penetranz gereicht dem Teckelunwesen nicht besonders zur Ehre:

    Teckel: "Postleitzahl?"
    Kunde: "0178 und dreimal die Zwölf - Schauen Sie mal, könnte das nicht die Frau sein?"
    Teckel: "Häh? Die ist doch viel zu lang!"
    Kunde: "Und einen Hund hat die auch. Das ist sie bestimmt!"
    Teckel: "Sie wollen mich wohl veralbern!? Die Postleitzahl!"
    Kunde: "8 mal 4. Na schauen Sie mal, die geht direkt zum Auto!"
    Teckel: "Das ist doch keine Postleit... Du, Ernst, schau mal die Frau da drüben, könnte die das nicht sein?"
    Teckel 2: "Natürlich, Gerhard, das ist sie! Nichts wie hin!"

    Die Teckel dackeln ab. Wir dokumentieren Gesprächsfetzen:

    Teckel 2: "Ihre Nachbarin hat angerufen, Sie werden vermißt..."
    Frau: "Ich? Vermißt? Ich bin nur mit dem Hund Gassi gefahren!"
    Teckel: "Geht es Ihnen gut?"
    Frau: "Natürlich geht es mir gut!"
    Teckel: "Sind Sie unverletzt?"
    Frau: "Klar, sehen Sie doch! Was soll der Quatsch?"
    Teckel 2: "Seien Sie doch froh, daß sich Ihre Nachbarin sorgt!"
    Frau: "Die kann was erleben. Ich bin mit dem Hund nur kurz zu Klaus gegangen..."
    Teckel: "Wer ist Klaus?"
    Frau: "Wie? Das geht Sie garnichts an! Hören Sie, lassen Sie mich in Ruhe!"
    Teckel 2: "Ihre Personalien müssen wir trotzdem aufnehmen..."

Zwischen Gefängniszellen und vier Sternen. Nachdem wir frechen Eindringlinge auf dem Hofe einer JVA "Die Gedanken sind frei" sangen, begaben wir uns in das örtliche Vier-Sterne-Hotel, um uns mit Wein und Brotzeit bewirten zu lassen. Stapfi war besonders dreist: Er nahm sein Handtuch und verschwand heimlich. Später gestand er, daß er seinen verkoteten Körper im oberen Geschoß des Hotels, im "Wälnäß"-Bereich, gepflegt hatte.

Hochzeitsstrauß und Mampfeskrampf. In einer Gastwirtschaft in Ebrach wurden wir von einem Burschen zum Weine eingeladen, wenn wir seiner Holden ein Liedlein sängen. Aus dem einen Wein wurden zwei, drei, vier, der Lieder umso mehr. Zwischendurch beklampften wir eine in der Nähe stattfindende Hochzeit, wo es aber für ein Lied nur Bier gab, das wir angewidert stehen ließen. Wieder zurück bei unseren reinen Weinausschenkern erhielten wir ein warmes Essen, und - das Brautpaar hatte sich besonnen - noch ein kaltes Eis spendiert. Vollgefuttert wollten wir das Nachtlager aufsuchen, das unsere Gastgeber anboten. Auf dem "Heimweg" fielen wir aber noch singend bei einer Geburtstagsfeier ein. Wir sollten uns als Dank an reichgedecktem Speis und Trank halten, aber - Schande über die Lumpenbrüder - wir konnten einfach nicht mehr. Rülps!

Bestürmung und Verehrung. In einer hoch über Unterfranken gelegenen Gastwirtschaft eines Weinberges fanden wir Unterschlupf, als ein brausender Sturm, ein tobendes Gewitter über das Frankenland fegte. Wir speisten, sprachen dem Weine zu und sangen dafür zum Dank unsere Lieder, was wiederum zusätzliche Dukaten brachte. Der Mann einer adelig anmutenden älteren Dame, welche hochgewachsen und schlank, bat uns, für seine Frau ein Lied zu spielen. Dies taten wir. Sie sagte laut und ergriffen vor allen Gästen, noch nie so etwas Schönes erlebt zu haben, stand auf und gab jedem von uns Lumpen links und rechts hauchzarte Wangenküsse. Herzl konnte sich natürlich nicht verkneifen, während der ihm zugedachten Küßchen zu fragen, ob sie auch eine Tochter habe.

Ohne Arbeit nix Kohle. In Oberschwarzach schlugen wir abends beim Winzer XY zu dessen Weinfest auf und erhielten eine Flasche des edlen Tropfens als Vorauszahlung für unseren Singsang. Dieser ließ nicht lange auf sich warten, und bald füllten sich die uns umgebenden Sitzplätze mit fröhlichen Sängern. Das war eine rechte Freude, wie die Volkslieder mehrstimmig und aus Dutzenden Kehlen gesungen wurden! Nach der zweiten Flasche und einer Grillwurst pro Lump wollten wir von hinnen. Der Weinbauer empfahl uns eine Winzerbaude als Nachtquartier und gab uns noch ein Fläschlein auf den Weg, die Wirtin jedoch sammelte bei den Gästen Geld für uns. So schnell kamen wir aber nicht fort, denn an diesem oder jenem Tisch mußten wir noch ein Lied vortragen. Ohne Fleiß kein Preis!